Arbeitsdefinition antimuslimischer Rassismus
Inhaltlich orientiert sich die Einordnung antimuslimischer Vorfälle an der von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) empfohlenen Arbeitsdefinition für antimuslimischen Rassismus, die im Rahmen des Community-basierten Monitorings gemeinsam mit Beratungsstellen für den deutschsprachigen Kontext operationalisiert wurde.
Die von der ECRI gemeinsam mit Expert*innen aus Wissenschaft und NGOs überarbeitete Allgemeine Politik-Empfehlung Nr. 5 „Bekämpfung von Intoleranz und Diskriminierung gegenüber Muslimen“ (2021) erklärt die Einstufung des Phänomens als spezifische Form des Rassismus zu einer wichtigen Voraussetzung für ein umfassendes Verständnis des Phänomens.
Die Ausgrenzung, Benachteiligung, Stigmatisierung und physischen Gewalt, die Muslim*innen und muslimisch gelesene Menschen erleben, sind also deshalb als Rassismus einzustufen, weil Menschen entlang bestimmter Vorstellungen von Kultur, tatsächlicher oder zugeschriebener nationaler Herkunft, Religion, Sprache sowie Geschlechtsidentität unveränderliche Eigenschaften zugeschrieben werden. Einhergehend mit der Zuschreibung von meist negativen Attributen wie sexistisch, homo- und transphob, rückständig, integrationsunwillig, radikalisierungsgefährdet, werden diese Menschen aus einem national-europäischen „Wir“ exkludiert, herabgestuft und zu „Anderen“ gemacht. Antimuslimischer Rassismus betrifft demnach nicht nur Muslim*innen, sondern auch Menschen, die anhand von rassistisch codierten Merkmalen als muslimisch markiert werden. Bei der Erfassung eines Vorfalls kann der alleinige Fokus auf das Diskriminierungsmerkmal „Religion“ riskieren, dass Erfahrungen von Personengruppen, die aufgrund von Zuschreibungsprozessen als muslimisch gelesen werden, unsichtbar gemacht werden.
Wie die ECRI betont, ist antimuslimischer Rassismus vielschichtig und wirkt geschlechtsspezifisch und intersektional. In unserer Dokumentationsarbeit analysieren wir folglich für jeden Fall sowohl den Zuschreibungsprozess anhand von Indikatoren als auch Überschneidungen mit anderen Rassismen (z. B. Anti-Schwarzer Rassismus, Antiziganismus) und Abwertungsideologien (u. a. Sexismus, Queerfeindlichkeit, Ableismus). Wie jede Form des Rassismus strukturiert antimuslimischer Rassismus die Gesellschaft und wirkt sowohl auf individueller als auch auf institutioneller und struktureller Ebene. Antimuslimischer Rassismus dient der Aufrechterhaltung, Legitimation und Ausweitung von Privilegien und Ausschlüssen.